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Der gottverdammt beste Sonnenaufgang meines Lebens

Diesen Text hat Julian 2013 geschrieben, als Malte ihn in Australien in die tropischen Gefilde Nordaustraliens gelockt hat...

Ich fahre. Immer noch. Ich fahre seit mehreren Stunden. Stets nach Osten. Die Ebenen des australischen Outbacks zu beiden Seiten der leeren, gottverlassenen Straße von Tennant Creek nach Townsville bilden eine gähnende schwarze Leere.

Auf der Matratze hinter mir schlafen Toni und Malte. In die Träume getrieben vom nicht aufhörenden Geruckel der Straße durchs Niemannsland und dem steten, lauten Dröhnen des alten Motors. Laura, die mich vom Beifahrersitz aus wachhalten sollte ist ebenfalls längst dem süßen Schlaf verfallen.

Seit Stunden ist uns kein Auto mehr begegnet. Die einzige Ablenkung bilden die stündlichen CD-Wechsel und gelegentliche Stopps. Um zu pinkeln oder einen weiteren Energy Drink aus der Kühlbox zu holen. Am frühen Morgen werde ich acht Stunden gefahren sein.

Davon weiß ich jetzt noch nichts. Ich schaue nach rechts. Aus dem Fenster. Ob sich dort im Dunkel wohl ein Wald befindet? Vielleicht ein Berg? Oder ein wundervoller, klarer See?

 

Ich weiß es nicht. Ich will es nicht wissen. Ich möchte noch in dieser Nacht das verfluchte Northern Territory verlassen. Diesen tropischen Hexenkessel im Norden Australiens. Besiedelt und touristisch aufbereitet um ahnungslose Europäer weich zu kochen. Um sie schwitzend und im Wahn an die Krokodile zu verfüttern.

 

Irgendwann entdecke ich einen hellen Punkt am Horizont direkt vor mir. Aufregung steigt in mir auf. Ist es schon so spät? Ich muss für Ewigkeiten gefahren sein. Zehn Minuten später ist aus dem Punkt ein sich langsam ausbreitender Fleck geworden. Das Licht am Ende des Tunnels. Der Lichtbringer kündet von einem besseren Leben an der Ostküste.

In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal seit Wochen gefroren!

 

Mit neuem Mut und der Gewissheit von nun an jedes Ziel erreichen zu können gebe ich noch etwas mehr Gas. Der exorbtitante Spritverbrauch des Land Rovers ist mir jetzt egal. Ein oranges Licht beginnt den Fleck am Horizont von Innen auszufüllen.

Ein Blick nach hinten. Noch schlafen alle. Sollen sie ruhig. Dieser Moment gehört mir.

 

Der orange Streifen breitet sich über den Horizont aus und beginnt mit minimaler Geschwindigkeit meine Umgebung zu erhellen. Kein Wald ist zu erkennen. Kein See. Die Landschaft ist etwas hügelig. Vereinzelt stehen dürre Bäume herum. Ihre Silouetten zeichnen sich scharf vor dem grellen Orange des Horizonts ab.

 

Ich schalte die Musik aus. Bis auf das Dröhnen des Motors der uns Kilometer für Kilometer weiter aus der tropischen Todeszone bringt herrscht jetzt Ruhe. Laura wacht gelegentlich auf. Um nach einigen entzückten Blicken wieder erschöpft einzuschlafen.

 

Gelb, rot und verschiedene Blautöne gesellen sich zu dem Orange und bilden ein wunderschönes Panorama. Die karge Steppe ist nun deutlich zu erkennen. Ein weißer Dingo starrt mich ungläubig vom Straßenrand an. Auf dem nächsten Hügel erscheinen Scheinwerfer. Fuck! Das ist mein Moment!

 

Malte und Toni wachen kurz auf. Zeigen sich beeindruckt und dösen weiter. Der Himmel wird heller und heller. EIn Schild kündet von der Grenze zu Queensland. Noch 40km. Unglaublich. Nie hätte ich gedacht, der Teufel aus dem Norden lässt uns so einfach gehen. Noch sind es 40km. Noch.

 

Kurz darauf erreicht der morgendliche Himmel seine komplette Farbbandbreite. Der schwindende Nachthimmel geht von einem blassen Lila über verschiedene Blautöne in ein seltsames Mintgrün über, von wo aus sich Gelb, Orange und Rot zum Zentrum der sich ankündigenden Sonne vorarbeiten.

 

20km. Ein paar winzige Wolken ziehen am Sonnenaufgang vorbei und fangen weitere Farben ein. Mein Gott. Das ist wirklich zu perfekt um wahr zu sein…

 

Und dann etwa 15km vor der Grenze treffen die ersten Sonnenstrahlen das Auto. Ich hole meine Sonnenbrille raus. Und setze sie nach kurzer Zeit wieder ab. Das hier hat keinen Filter verdient.

 

Während ich jubelnd über die Grenze fahre danke ich irgendjemanden dafür, dass ich die letzten Wochen voll Moskitos, Schweiß und Luftfeuchtigkeit im Dampfbadbereich überlebt habe. Kein Körperteil ist mir abgefault. Klar, der Verstand hat gelitten. Aber wer wäre dort nicht wahnsinnig geworden?

 

Wenige Kilometer hinter der Grenze erreiche wir ein Roadhouse. Erschöpft, aber glücklich fahre ich meinen Wegbegleiter Lenny an den Strassenrand. Die anderen sind mittlerweile auch wach. Wir frühstücken. Wir fahren weiter. Es ist mir egal. Queensland.

 

Geliebtes Queensland…

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Kommentare: 2
  • #1

    sternschnuppe (Sonntag, 16 August 2020 16:00)

    das ist wirklich spannend geschildert und weckt fernweh , trotz der geschilderten mühsal ! und sicherlich eine erinnerung für´s leben , die einem keiner nehmen kann !

  • #2

    Julian (Montag, 17 August 2020 17:54)

    Vielen Dank. Die Mühsal sind ein wenig wie jene beim Besteigen eines Berges. Unterwegs frage ich mich, warum ich mir das eigentlich antue... auf dem Gipfel jedoch weiß ich es wieder. :)